Die Sechstklässlerin kommt von der Schule nach Hause. Sie rennt in ihr Zimmer und wirft sich schluchzend aufs Bett. So hat sie noch nie geweint. Die Mutter versucht zu trösten. Zwischen Schlucken und Tränen erfährt sie nach und nach, was geschehen ist: Eine Schulfreundin hat die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium bestanden. Deshalb wird am Nachmittag nach der Schule gefeiert. Fast alle Mädchen aus der Klasse sind eingeladen, aber die Tochter nicht. Sie hat vom Fest nur durch Zufall erfahren. Und dann kommt es: „Mama, ist es, weil wir Albaner sind?“
Die Mutter ist schockiert. Die Familie lebt seit Jahren in der Schweiz. In geregelten Verhältnissen und „so integriert, wie man nur sein kann“. Man pflegt viele Kontakte zu Schweizer Familien, besucht Elternabende der Schule und engagiert sich bei Festen in der Gemeinde – die Mutter will beschwichtigen. Das müssen andere Gründe sein. Doch die Tochter ist sich sicher. Sie habe nachgefragt. Nur Schweizer Mädchen sind eingeladen. Alle Ausländerinnen nicht.
Von Integration reden alle. Und es gibt auch viele Konzepte dafür. Aber Integration gelingt oder misslingt im Alltag. Und sie muss von beiden Seiten immer wieder neu geleistet werden. Brücken zwischen Kulturen bauen ist keine leichte Aufgabe. Bisweilen ist sie ganz schön anstrengend und natürlich möchte man dann auch wieder einmal ganz unter sich sein.
Doch wie erklären Sie das einem todunglücklichen Sechstklassmädchen?
(18.05.2008)
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